Liebe auf den ersten Blick
Lukas Weißhaidinger & Olympia - eine harmonische Geschichte
Noch läuft die unmittelbare Wettkampfvorbereitung für die Olympischen Spiele in Paris. „Bis jetzt haben wir sehr viel richtig gemacht, in den letzten 37 Wochen“, betont Lukas Weißhaidinger. Der ÖLV-Diskus-Rekordhalter hat knapp 10 Kilogramm abgenommen, präsentiert sich so leicht und so schnellkräftig wie seit Jahren nicht mehr. Das neue Kampfgewicht beträgt 142 kg. Die Abwurfgeschwindigkeit hat sich – aufgrund der neuen (Hüft-) Technik – um gut drei km/h, von 82 auf 85 km/h, gesteigert. Das neue Schlagwort: Schnellkraft statt Hebelwirkung. „Das funktioniert bei Weltrekordler Mykolas Alekna und ab sofort auch bei mir.“
Der Weltranglisten-Sechste steht vor seiner dritten Olympia-Teilnahme und greift in Paris nach seiner zweiten Medaille. Die Zeichen stehen günstig: Der Vize-Europameistertitel von Rom, Anfang Juni, gibt für die Sommerspiele jede Menge Auftrieb. Der 32-jährige Oberösterreicher weiß, dass er nach der Wurftechnik-Umstellung wieder mit den Allerbesten mithalten kann. „Ich bin in Schlagdistanz mit Alekna, Stahl und Ceh“, weiß der 32-jährige Oberösterreicher.
Am 7. August, ab 20:30 Uhr, im „Stade de France“ in Paris, will er einmal mehr unter die Top-3. „Wer es bei Olympischen Spielen schon aufs Podium geschafft hat, der will das unbedingt nochmals erleben. Das Diskus-Finale und die anschließende Siegerehrung waren ganz klar die schönsten und wichtigsten Momente meiner Karriere. Wenn ich daran denke, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut.“
Die Liebe zu Olympia begann im zarten Alter von acht Jahren, als Klein-Lukas im ORF erste Bekanntschaft mit Olympischen Spielen machte und die Fernseh-Bilder aus Sidney 2000 sah, genauer Szenen vom Kugelstoßen, Speer- und Diskuswerfen. „Ich fand diese Schränke von Männern auf Anhieb mega-cool. So groß und stark wollte ich auch werden.“
Als Lukas mit 13 Jahren ein erstes Probetraining beim ÖTB OÖ in Taufkirchen absolvierte, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Franz, fragte er Trainer Sepp Schopf: „Wenn ich jetzt mit dem Training beginne, schaffe ich es dann später einmal zum Weltmeister und Olympiasieger?“ Schopfs Antwort – an die gesamte Gruppe gerichtet - lautete wie folgt: „Wenn ihr dranbleibt, könnt ihr in fünf bis zehn Jahren österreichischer Meister, in weiterer Folge vielleicht auch europäische Spitze und irgendwann Weltklasse werden. Aber dafür braucht es gut 120.000 Würfe, d.h. 10.000 pro Jahr, vielleicht sogar mehr.“
Im Teenager-Alter, nach gut 60.000 Würfen, lernte Lukas Weißhaidinger in der Südstadt den Olympiateilnehmer und damaligen ÖLV-Diskus-Rekordhalter Gerhard Mayer kennen. „Er hat mir vom Olympischen Dorf, von vollen Stadien und einer umfangreichen Gratis-Einkleidung erzählt.“ Die Geschichte, die den Junioren-Athleten Weißhaidinger am meisten beschäftigte, war die folgende: IOC-Sponsor McDonalds betreibt bei Spielen eine eigene Filiale für Athlet:innen und Betreuer:innen, wo man zum Nulltarif so viel essen darf wie man will. All you can eat, sozusagen. „Auch wenn’s lustig klingt: Das hat mich endgültig überzeugt. Das war der Tag, an dem ich beschloss, Leistungssportler und Olympia-Teilnehmer zu werden.“
Vor seinem Olympia-Debüt in Rio 2016, weitere 80.000 Würfe später, Lukas war mittlerweile 24 Jahre alt, und in der Weltrangliste unter den Top-30 angekommen, passierte bei einem Vorbereitungsmeeting in Madrid ein folgenschweres Missgeschick. Der Oberösterreicher gewann den Wettkampf, zog sich aber im letzten Versuch eine Sprunggelenksverletzung zu. „Ich habe mir zunächst nichts Schlimmes dabei gedacht. Die Diagnose zu Hause im Spital in Linz war aber niederschmetternd: Mittelfußknochenbruch, mindestens vier Wochen Pause. Bis zu den Olympischen Spielen waren es da nicht mal mehr sechs Wochen. Als mir die Ärztin das klar gemacht hat, hatte ich Tränen in den Augen. Ich dachte, mein Olympia-Traum wäre geplatzt.“
Weißhaidinger und Coach Gregor Högler behielten das Geheimnis für sich, sprachen lapidar von einer leichten Knöchelverletzung. Erst 10 Tage vor dem Abflug nach Rio war wieder an ein normales (Wurf-) Training zu denken. Umso höher ist der sechste Rang beim Olympia-Debüt zu bewerten. Lukas, längst selber Rekordhalter und jetzt auch Olympia-Teilnehmer, hatte endgültig Blut geleckt. „Dass ich zur Feier des Tages, nach dem Finale, kurz vor Mitternacht, im Dorf bei McDonalds vorbeigeschaut habe, versteht sich von selbst.“
Der vorläufige Höhepunkt kam 2021 in Tokio. Der EM- und WM-Dritte ging im zweiten Versuch mit 66,65 m kurzzeitig in Führung. Im nächsten Versuch legte er auf 67,07 m nach. Das sollte für Bronze reichen. „Vor meinem letzten Versuch stand ich als Olympia-Medaillengewinner fest. Zuvor hatte ich noch einen kurzen Moment der Unsicherheit zu überstehen: Der Australier Matthew Denny war in seinem sechsten Versuch bis auf fünf Zentimeter an meine Weite herangekommen. Es dauerte gefühlt eine halbe Ewigkeit, bis seine Weite aufleuchtete. Danach war ich nicht mehr zu halten.“