"Natürlich tut es weh..."
Im ORF-Studio-Talk mit Rainer Pariasek
Sonntagabend war Diskus-Rekordhalter Lukas Weißhaidinger zu Gast in der ORF-Sendung Sport am Sonntag. Auszüge aus dem Studiogespräch mit Moderator Rainer Pariasek.
Ab der kommenden Woche wollen Sie in die Olympia-Saison starten. Wie steht's mit dem Idealgewicht - sind Sie noch immer so leicht wie schon lange nicht mehr? Nach Teneriffa waren es 142 kg....
Lukas Weißhaidinger: "Mittlerweile sind's wieder 144 kg. In Tokio werden es zwischen 144 und 146 kg sein. Was Teneriffa betrifft: Wegen Corona hatte ich da nicht so Zugänge zum Buffet wie sonst, das mit dem Nachschlag hat nicht ganz so funktioniert... Aber ich fühle mich top-fit."
Zuletzt hatten Sie aufgrund der starken Trainingsbelastung eine Fingerverletzung an der Wurfhand. Wie geht's den verletzten Fingern?
Weißhaidinger: "Mein Trainer nennt das: Adaption des Körpers. Das ist vor Saisonbeginn normal. Durch die vielen Trainingswürfe kann schon mal die Haut aufreißen, weichere Haut wird durch härtere ersetzt...Bis zu 70 kg drücken da beim Abwurf auf die Finger."
Warum verwenden Sie nicht wie andere Sportler ein Tape? Das würde einen Weitenverlust bedeuten, oder?
Weißhaidinger: "Genau. Das Tape ist ein bisschen rutschig. Und beim Diskuswerfen spielt das richtige Gefühl eine große Rolle. Da fühlst du dich ohne Tape wohler. Mittlerweile sind die Finger wieder o.k., letzten Donnerstag habe ich schon wieder geworfen. Alles o.k."
Sie gehen ans Training geradezu wissenschaftlich heran. Geht's im Diskuswerfen nicht anders?
Weißhaidinger: "Ich bin 2016 nach Wien gezogen, um mit Gregor Högler in der Südstadt trainieren zu können. Seit damals haben wir schrittweise in allen Bereichen die Qualität des Trainings optimiert - punkte Wurftechnik, Biomechanik, Regeneration usw. Meine Gegner nennen mich scherzhaft schon den Physiker, weil wir extrem tüfteln. Wenn ich wie Daniel (Weltmeister Stahl) eine Armspannweite von 2,24 m hätte, würde ich mich wahrscheinlich auch nicht so intensiv mit biomechanischen oder trainingswissenschaftlichen Dingen befassen. Ich habe aber nur 2,08 m. Man sagt: Dass 2 cm weniger Armspannweite rund 1 Meter Nachteil in der Weite bringen. Ich muss also anders werfen als der Weltmeister."
Ist das nicht unfair?
Weißhaidinger: "Es ist, wie es ist. Bei mir geht's also eher um die perfekte Wurftechnik und mehr (Dreh-) Geschwindikgeit als bei meinen unmittelbaren Konkurrenten."
Sie haben sich auch ein eigenes Krafttrainingsgerät aus Stahl gebaut, um die richtigen Wurfwinkel simulieren zu können. Was bringt dieses KTG?
Weißhaidinger: "Da kann ich in einer Stunde 150 bis 200 Würfe simulieren. Im Freien würde ich dafür einen ganzen Tag brauchen."
Auch eine Kühlkammer steht Ihnen seit ein paar Monaten zur Verfügung. Wie lange ist man da Temperaturen bis zu minus 110 Grad ausgesetzt?
Weißhaidinger: "Ich verwende sie nahezu täglich, nach jedem Training. Aktuell liegt mein Rekord bei 4 Minuten. Normal sind rund 3 Minuten. Durch diese Art der Therapie regeneriert mein Körper schneller, dazu wirkt die Kälte auch entzündungshemmend. Die positiven Effekte sind definitiv nicht wegzuleugnen. Das merkt man schnell."
Sie sprechen ganz offen davon, den Olympiasieg und die Goldmedaille in Tokio als Ziel zu haben. Eine EM- und WM-Medaille haben Sie schon. Wie stehen die Chancen auf den Olympiasieg?
Weißhaidinger: "Das mit der Goldmedaille dürfte mir rausgerutscht sein, das war mir gar nicht so bewusst. Wenn ich wo antrete, will ich prinzipiell gewinnen. Das ist für einen Athleten selbstverständlich. Klar ist auch: Ja, ich war schon zweimal erfolgreich, bei EM und WM. Mein Ziel für Tokio ist klar: Ich will dort, wenn möglich, den besten Wurf in meinem Leben raushauen. Wenn das gelingt, dann stehen die Chancen auf eine Medaille nicht schlecht... Aber es gibt locker 5, 6 Werfer, die das auch drauf haben. Entscheidend wird sein: Wer mit den aktuellen Umständen, mit dem Erwartungsdruck und den äußeren Bedinungen im Finale am besten umgehen kann und locker bleibt, der hat gute Medaillen-Chancen. Das ist leichter gesagt als getan... Bei mir ist die Qualifikation immer ein heikles Thema."
Warum ist das so?
Weißhaidinger: "Ich will fürs Finale Körner sparen. Bei EM und WM wäre ich jeweils fast schon in der Qualifikation gescheitert. Im Finale war ich dann voll da. In Olympia werde ich etwas anders an die Sache herangehen. So spannend wie in Berlin (EM 2018) und Doha (WM 2019) soll es in der Tokio-Qualifikation nach Möglichkeit nicht werden."
Sie sagen: Wer in Tokio gewinnen will, der muss in jedem Fall an die 70 Meter werfen. Im Training haben Sie die 70-m-Marke schon übertroffen, oder?
Weißhaidinger: "Ja, das war ein sehr guter Tag. Ich weiß, dass ich die 70 Meter drauf habe. Aber zählen tut es letztlich nur im Wettkampf. Am besten bei einem Großereignis wie Olympia."
Tokio wird aufgrund der Corona-Krise ganz speziell. Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
Weißhaidinger: "Natürlich tut es als Athlet weh, wenn die Fans nicht dabei sein können. Aber ich bin dankbar, wenn die Spiele stattfinden können. Es wird höchste Zeit, sich wieder auf höchstem Niveau mit den Besten messen zu können. Das war jetzt mehr als ein Jahr lang kaum bis gar nicht möglich."